Vieux Port

This entry is part 4 of 22 in the series Marseille
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Endlich Meer!

Dienstag, 04. März 2014:

Für heute ist kein Regen angesagt. Dafür ist weht eine steife Brise – als wir das Haus verlassen, geht hinter uns im düsteren Treppenhaus eine Tür wie von Geisterhand auf. Auf der Straße wird Richard gleich wieder zurück ins Haus gedrückt. Aber von sowas lassen wir uns nicht kleinkriegen. Unser Ziel für heute lautet Vieux Port – der alte Hafen. Er wurde 600 B.C. gegründet und macht laut meinem Reiseführer Marseille zur ältesten Stadt Frankreichs.

Wird auch Zeit, dass wir endlich zum Hafen kommen. Wir sind jetzt schon den vierten Tag in Marseille und haben (bis auf die Sicht aus dem Flieger) noch nicht einmal das Meer gesehen. Nachdem ich mir Richard auf den Rücken geschnallt habe, geht es zügig vorwärts. Am Ende des Boulevard Longchamp ist ein kleiner Markt aufgebaut. Die Preise sind jenseits von gut und Böse. An einem Stand gibt es Brot für 7-12€/kg. Das Vergnügen hebe ich mir lieber für zu Hause auf.

Um die Ecke steht eine imposante, aber scheinbar unbedeutende Kirche. Es bleibt die ganze Zeit windig. Immer wieder werden Schilder und Müll durch die Luft geweht, und ab und an liegt auch mal ein Motorroller am Boden. Aber Richard ist ja auf meinem Rücken zum Glück halbwegs windgeschützt. Unterwegs begegnen wir immer wieder Bettlern, die bei dem miesen Wetter in den Ecken kauern. Meistens junge Frauen mit ganz kleinen Kindern, welche mal den Spendenbecher zum Spielen bekommen, ein anderes mal einfach nur in Mamas Armen schlafen. Trostlos und ohne Perspektive – ein Bild, was einem in Marseille nur zu oft begegnet.

Wenn man einmal das schlechte Gefühl abgeschüttelt hat, und sich wieder auf seinen Urlaub besinnt, ist man auch schon am Hafen. Dieser bietet ein schönes Panorama mit Blick auf Notre Dame de la Garde. Am Quais des Belges waren sogar ein paar Fischer, die ihren Fang anboten. Leider lud das Wetter nicht zum verweilen ein. Richard wollte nicht mal die Gegend erkunden, sondern vergrub sich lieber zwischen meinen Beinen, um dem kalten Wind zu entgehen.

Auf dem Weg nach Hause machten wir noch einen kurzen Stopp im Einkaufszentrum Galleries Lafayette. Beim Rolltreppe fahren ließ es sich prima aufwärmen. Ansonsten gibt es hier nichts, was Mann interessiert. Zurück am Bd. Longchamp holen wir noch schnell ein paar Fischstäbchen im Spar. Der Verkäufer ist sehr freundlich und versucht sich sogar mit ein paar Brocken auf deutsch. Leider bisher in beiderlei Hinsicht eher die Ausnahme.

Nach dem Mittagsschlaf müssen wir uns sputen. Madeleine hat um 17:00 Uhr einen Interviewtermin und möchte, dass wir uns dort treffen. Der Interviewpartner ist ein Fotograf, und ich soll aus Sicherheitsgründen das Foto machen icon smile Vieux Port
Also auf zum Kulturkomplex La Friche. Es ist immer noch sehr unbehaglich draußen, und auf dem Gebiet des La Friche gibt es selbst in den Gebäuden keinen Schutz. Von Madeleine haben wir soeben erfahren, dass dieser Wind Mistral genannt wird, und leider typisch für diese Region ist. Ich hoffe nur, er legt sich bald wieder und Richard ist Morgen nicht krank.

Begleitet von Antonia, Madeleines Kontaktperson beim Goetheinstitut, besuchen wir den Fotografen. Er scheint ganz nett zu sein, leider spricht er kein Wort englisch oder gar deutsch. Nach dem ‘Shooting’ versuchen wir mit Richard die Zeit auf dem Gelände tot zu schlagen, immer auf der Suche nach einem warmen Fleck. Als wir mit Richard schon auf dem Heimweg sind, ruft Madeleine an. Sie kommt uns mit vielen Bildern und Fotobänden hinterhergeeilt. Zufrieden, dank eines sehr angenehmen Interviews.

Zu Hause wird noch gekocht und gegessen. In unserem Appartement gibt es weder Radio noch Fernsehen. Diese Tristesse hat etwas von einem Kuraufenthalt. Irgendwie beruhigend. Allerdings werden die Stimmen in meinem Kopf langsam lauter. Muss ich mir Gedanken machen? icon wink Vieux Port

Vorm ins Bett gehen messen wir bei Richard sicherheitshalber nochmal Fieber – 38.8! Na toll, war aber irgendwie zu erwarten. Jetzt schläft der tapfere kleine Mann. Hoffen wir mal auf einen warmen Frühlingsmorgen voller Sonnenschein…

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