MuCEM

This entry is part 12 of 22 in the series Marseille
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Käfer raten

Mittwoch, 12. März:

Wir sind heute Abend bei Gwenola und ihrer Familie zum Essen eingeladen. Kinder gehen in Frankreich nur 4 Tage zur Schule. Mittwoch ist quasi Familientag und Gwenola ist zu Hause, eigentlich wir alle (die Einzige, die arbeiten muss, ist also Madeleine). Deshalb sollen wir auch schon eher kommen – so gegen 18:30 – 19:00(!). Ich vergaß – im Mittelmeerraum ist ja der Tagesablauf im Vergleich zu uns nach hinten verschoben. Das sollte mir heute auch am Vormittag nochmal bewusst gemacht werden.

Wir brechen mit Madeleine zusammen auf und fahren mit der Straßenbahn bis zur Haltestelle Belzunce Alcazar gemeinsam. Dort steigen wir aus und Richard darf bei der Mama nochmal an die Scheibe klopfen. Wir wollen eigentlich über den Hafen zum MuCEM. Nachmittags schaffen wir es nicht, da wir nach 17:00 Uhr nicht mehr reingelassen werden. Statt Hafen gehen wir aber in eine andere Richtung. Am Ende der Straße in der die Haltestelle liegt, lacht mich schon immer eine Art Wahrzeichen an und heute will es von uns begutachtet werden. Auf direktem Weg wird uns der Zugang durch ein riesiges Feuerwehraufgebot versperrt. Wir müssen natürlich einen Moment bleiben. Richard ist schon ganz hibbelig und schreit dauernd “dadüdadaa” (das mit dem t hat er noch nicht so raus). Über einen Umweg kommen wir dann doch noch schnell zum Porte d’Aix – einem recht ernüchternden Triumphbogen. Trotzdem lohnt sich der Umweg zum MuCEM über die Seitenstraßen. Immer wieder gibt es interessante Architekturen zu sehen. Ein Stück weiter können wir live an einem Megastau teilhaben. Diese Franzosen – da ist die Straße gerade breit genug für zwei kleine PKWs und hier versuchen zwei 40 Tonner aneinander vorbeizufahren!

Am Eingang zum MuCEM ist wieder alle zugeschlossen und weit und breit kein Personal zu sehen. Da ich aber nicht der einzige bin, der hier wartet, lasse ich Richard erst mal ne runde frei drehen und über das Plateau rennen. Ich kann zwar kein französisch, aber bei näherer Betrachtung der komischen Buchstaben gelingt es mir, alles in Nullen und Einsen zu übersetzen. Jetzt ist mir alles klar – wir sind zu zeitig! Hier wird erst um 11 Uhr geöffnet. Wie war das mit dem “hier ist alles später”?

Kurz nach 11 dürfen wir passieren. Die Franzosen sind in dieser Hinsicht anders als wir. Ganz entspannt trifft es in Marseille leider nicht. Das gilt zwar für Öffnungszeiten, aber nicht für Schließzeiten. Selbst in Museen und großen Supermarktketten wurden wir schon 5 Minuten vor der Angst sehr energisch zum Gehen bewegt. Aber ok – das kann man sicher nicht verallgemeinern, wir hatten in dieser Hinsicht bisher einfach Pech. Zurück zum Thema!

Das MuCEM ist – ich muss es sagen – eine interessante und raffinierte Anlage. Hier wurde eine alte Festungsanlage genommen und mit neuer Architektur vermischt. Alles sehr organisch und expirementell und dabei trotzdem noch für Kinder spannend. Die Ausstellungen haben wir uns aber nicht mehr angeschaut. Wir sind dann wieder nach Hause. Auch den Rückweg beschreiten wir über uns bisher unbekannte Nebenstraßen, und es macht Spaß. Es wirkt hier alles so ganz und gar nicht großstadtmäßig.

Die Tram bringt uns bis vor die Haustür. Das habe ich auch nötig. Nachdem Richard im Bett ist, versuche ich mir selber noch ein paar Pommes im Ofen zu machen. Dieser geht leider immer aus, sobald man die Ofenklappe schließt. Ich kann mich dunkel an das Problem aus alten Zeiten erinnern, weiß mir aber im Moment nicht besser zu helfen, als den Ofen einfach angekippt zu lassen. Der Kühlschrank steht natürlich direkt neben dem Ofen und fängt an zu kühlen, was das Zeug hält. Energiewende olé! Aber wir sind ja im Urlaub.

Richard ist zeitig wieder wach. Wie versprochen wird jetzt erst mal ordentlich geduscht. Natürlich mit Gummistiefeln – Indoor Pfützenspringen sozusagen. icon smile MuCEM Nachdem Richard frisch geschniegelt und gestriegelt ist, setze ich ihn in den Hochstuhl, richte das Babyphone aus und lasse ihn die Babyspiele auf meinem Handy zocken. In der Zeit schaffe ich es meistens, selber zu duschen (manchmal stehe ich aber auch mit Badeschaum wieder im Wohnzimmer). Danach kommt heute noch ne Runde Ungezieferquartett und dann wären wir langsam ausgehfertig. Im Hausflur hat Richard den Besen für sich entdeckt und fegt die Treppe. Dabei ist heute Vormittag doch erst die Putzfrau durchs Haus?

Madeleine fangen wir direkt an der Metrostation ab. Jetzt schnell noch ein paar Getränke und was Süßes organisiert und dann nix wie los. Gwenola und Wolfram warten sicher schon auf uns.

Die Wohnung liegt ein Stück ab der Hauptstraße, befindet sich aber trotzdem noch im Zentrum. Die Gegend macht einen sehr angenehmen Eindruck. Die Bodenplatten sind in Hausflur und Wohnung genau die Gleichen wie bei uns. Wolfram erklärt uns, dass diese Klinker und das Muster typisch provenzialisch sind. Steinböden – das liegt vor allem daran, dass die Winter hier nicht so kalt sind. Als wir von unserem ersten Wochenende berichten, schmunzelt er nur und meint, ihm ging es das erste Jahr in Marseille ähnlich. Die beiden haben eine vierjährige Tochter – Anuschka – die Richard sofort in ihr Herz schließt. Das Spielezimmer ist damit zur Verwüstung freigegeben, und die beiden sind weg. Nach einer guten Stunde muss Wolfram leider los, und den Rest des Abends verbringen wir mit den Frauen des Hauses.

Das Essen ist toll, die Gespräche sind toll und wir verstehen uns sehr gut. Gwenola erzählt uns noch von den Ratten. Die gibt es hier wohl massenhaft, und wenn man spät abends von einer Veranstaltung kommt, sollte man immer damit rechnen, das links und rechts dunkle Schatten an einem vorbeihuschen. Anusch hat in Richard wohl ihren neuen Lover gefunden. Er wird den ganzen Abend geknuddelt und abgeknutscht. icon smile MuCEM

Die Zeit vergeht wie im Flug und auf einmal ist es schon nach neun. Vor einer halben Stunde gab es Kuchen und Richard ist wieder voller Energie. Jetzt dreht er mit dem Puppenwagen Kreise durchs Wohnzimmer, aber seine Augen sind schon ganz leer – ich glaube, wir müssen langsam los. Richard ist ganz traurig, dass wir gehen und macht ein riesen Theater, als er wieder in die Kraxe muss. Wir haben uns jetzt nochmal fürs Wochenende verabredet und werden dann, sofern das Wetter mitspielt, die Inseln vor Marseille erkunden.

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One thought on “MuCEM

  1. Ich hatte ordentlich Nachholebedarf, da mich meine Technik wieder einmal verarschte.
    Jetzt geht es wieder und ich kann Eure Berichte nachverfolgen.
    Der schöne Frühling hat uns wieder verlassen, doch ist endlich der lang ersehnte Regen, zwar nicht in Ausmaßen,aber immerhin etwas anfeuchtend durch unser Land gezogen. Für die nächsten Tage alles Gute.
    Vati

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