USA 2013, Tag 34 – Sin City

This entry is part 43 of 63 in the series USA 2013
8671598856 4e6b5656ba q USA 2013, Tag 34   Sin City

Fremont Street Experience

Sonntag, 21. April:

Damit ich später guten Gewissens von !unserem! Blog sprechen kann, werde ich mal unseren heutigen Tag beschreiben.

Zunächst möchte ich an dieser Stelle erwähnen, dass es gar nicht so leicht ist, mit einem Mann zu reisen, der auf jedem Park- und Campingplatz verzweifelt nach WiFi sucht. (Vorm Walmart in Roswell haben wir dreimal umgeparkt, um den Hotspot des naheliegenden Mc Donald’s zu nutzen – hat nicht geklappt). Was den Blog angeht, so hat Sven einfach eine bessere Ader dafür, auf die atemberaubenden Landschaften einzugehen. Mir fällt dazu ein, dass ich mir heute beim morgendlichen Zähne putzen das Waschbecken mit einem abgebrochenen, gelben Stiftzahn geteilt habe, der im Abfluss hängen geblieben ist. Auf dem Weg zum WoMo kam mir dann Sven entgegen, mit der Hiobsbotschaft, dass unser Auto nicht mehr anspringt. Naja, besser im Zion auf dem Pannendienst warten als im Death Valley.

Das meinte dann auch Bill, ein sehr sympathischer Mechaniker um die 50, der nach nur einer halben Stunde seinen aufgemotzten Werkstattwagen mit monstertruckmäßigen Rädern vor unserem WoMo parkte und gleich mal die Batterie testete. Billy, der aus Nordkalifornien stammt, aber schon seit über 20 Jahren im Zion – his church – lebt, gab uns nebenbei Tipps, was wir uns noch anschauen könnten. Die Batterie wurde wieder geladen, wir hatten wohl zu lang das Radio auf dem Campingplatz an, dann schüttelte Billy uns noch die Hand und fuhr wieder davon. Auf also nach Vegas!

Lange fuhren wir noch am Virgin River lang (der Fluss, durch den wir gewandert waren), wir passierten auch den Ort Virgin, wo man Virgin Cactus Jelly kaufen konnte. Wir ließen den jungfräulichen Brotaufstrich links liegen und fuhren auf der Interstate 15 Richtung Spielhölle.

Las Vegas ist heiß. Es ist 5 Uhr abends, wir haben auf dem KOA-Campingplatz eingecheckt und die Hitze kommt uns wie eine Wand entgegen. Sofort habe ich zwei schlecht gelaunte Männer an meiner Seite. Egal. Auf geht’s zum Strip, der Vergnügungsmeile. Die Stadt wirkt wie ein großer Ramschladen, abgenutzt und totally wasted. Es schillert nichts. Mann, sind wir froh, hier nicht geheiratet zu haben. Aber es ist ja auch Sonntag. Also laufen wir mit Richard und Kinderwagen an den vielen Pennern (Pech im Spiel?) und unzähligen Tattoo-shops vorbei und gucken uns die superkitschigen, herzschmerzromantischen weißen chapels auf der anderen Straßenseite an. Uns kommt sogar ein Brautpaar – sie ganz in weiß, er im Elvis-Kostüm – entgegen. Bemerkenswert auch: in den Boxen, wo üblicherweise die Zeitungen deponiert sind, liegen ausschließlich Pornos, außerdem werben großflächige Plakate dafür, doch mal mit einem richtigen vollautomatischen Maschinengewehr auf einem fabulous battlefield Krieg zu spielen. Nicht unser Ding. Unser Ziel ist der Heart Attack Grill auf der Freemond Street. Dort soll es die größten und fettigsten Burger Amerikas geben, serviert von knapp bekleideten Krankenschwestern.

Der Weg ist weit, Richard ningelt und will getragen werden, aber Sven hat ein Ziel. Wir wandern unter Palmen entlang, die wieder schön und groß wie in Miami sind, vorbei am Stratosphere-Tower, wo alle fünf Minuten ein Tourist am Bungee-Jumping-Seil nach unten fällt.

Und dann stehen wir davor, vor dem Albtraum jeder Diätassistentin. Vor dem Eingang des Heart Attack Grills gibt es eine Art Viehwaage. Wer mehr als 350 Pfund wiegt, darf hier umsonst essen. Wir sparen uns den Test und gehen gleich rein. Am Empfang bekommen wir ein Armband mit der Aufschrift “I had a Bypass at the Heart Attack Grill“ und einen Patientenkittel angezogen. Eine rothaarige Krankenschwester im äußerst knappen Kostüm nimmt die Bestellung auf. Pommes und ein Butter Fat Shake für mich, ein Quadruple Burger und ein Bier für Sven. Richard kaut schon am Babykeks und guckt den Schwestern hinterher. Im Raum hängen lustige Bilder (z.B.die zerrinnende Zeit von Dali mit zerfließenden Burgern) und verfremdete Filmplakate (Burgerwars – Fight alien Franchising). Der Renner unter den Frauen ist “Gone with the waistline“. Immer wieder wird vor dem Plakat gepost, auf dem Rhett Butler mit Stiernacken und Doppelkinn Scarlett o’Hara im Krankenschwesternkostüm trägt. Unser Essen ist eine Herausforderung. Mein Vanille-Shake besteht wirklich zu großen Teilen aus Butter, mit einem Extra-Stück oben drauf – bäh. Svens Burger ist riesig und hat es mit 9980 Kalorien ins Guinessbuch der Rekorde geschafft. Unsere Krankenschwester betont, dass Sven den Burger ganz allein essen muss. Sie kommt öfter mal gucken während sich Sven durch ein Kilo Burgerfleisch kämpft. Und Tatsache: Als am Nebentisch gerade ein Patient von einer Schwester verhauen wird, weil er nicht aufgegessen hat, beschließt Sven leicht entkräftet sein frugales Mahl.

Draußen ist mittlerweile Las Vegas erwacht und schillert. Wir gehen durch die Fremontstreet und berauschen uns an Millionen glitzernden Lämpchen, den Spielhöllen mit den flackernden Automaten, der Musik und den Videowänden. Auf den Bars tanzen leicht bekleidete Mädels, durch die Straße laufen halbnackte Männer, YMCA! Sin City hat uns gepackt, wir gucken und staunen. Über uns fliegen Menschen an Stahlseilen entlang, Richard hat eine unheimliche Begegnung mit einem roten Plüschmonster, eine Band spielt mit wehenden Haaren auf einer großen Bühne Rocksongs und am nächsten Fußgängerüberweg müssen wir kurz warten, weil ein Film gedreht wird. Plötzlich wird es über uns laut. Die Überdachung der Straße wird auf einmal zu einem riesigen Bildschirm. Darauf singt Bon Jovi vor Zehntausenden jubelnden Fans “It’s my life“. Neben uns beginnen Leute zu tanzen und zu singen. Total abgefahren!
Da Richard nicht partytauglich ist, nehmen wir bald den Bus zum Campingplatz. Während Sven in einem Laden versucht, was Alkoholfreies aufzutreiben, was hier nicht einfach ist, warten Richard und ich davor. Neben uns steht ein Schwarzer, der genau einen Zahn mehr als Richard hat, mit einem Pappschild um den Hals: Need beer and money. Ich versuche, unauffällig zu wirken. Elvis läuft an mir vorbei.

Mit Getränken ausgestattet (Heart Attack Burger machen übel durstig) kommen wir wieder bei der Rockband vorbei. “du hast, du hast mich“ grollt der Gitarrist, der wie der Sänger von Type o Negative (RIP) aussieht, ein Lied von Rammstein ins Mikro. Ich bin beeindruckt.
Leider ist es sehr laut, wir müssen weiter. Während der Busfahrt flirtet Richard ausgiebig mit einer Spanierin im Glittertop, mit grün geschminkten Augen und langen schwarzen Fingernägeln. Obwohl sie meinte, sie wäre zu alt für Richard, ich glaube, sie hat ihm ihre Nummer zugesteckt, muss gleich mal in seinen Body gucken…

Series Navigation<< USA 2013, Tag 33 – Angels LandingUSA 2013, Tag 35 – .282 Meilen unterm Meer >>

7 thoughts on “USA 2013, Tag 34 – Sin City

  1. Wenn Sven auch gerne Fleisch ißt,aber das glaube ich war zuviel im warsten Sinne des Wortes.Hat ihm wohl erstmal den Appetit verdorben, hat er auch Haue von der “Schwester” bekommen? Schön daß ihr eure Hochzeit an einem besseren Ort genießen konntet Eine neue Birne hat tatsächl. wieder Licht gemacht!

    • Ach, das war halb so wild – wenn einen einmal der Ehrgeiz packt :-)

      Haue gab’s auch nicht, denn ich habe ja aufgegessen (war zugegebenermaßen auch ein Ansporn)

  2. Heute sind die Bilder da, toll.Erinnert mich an die Spielhöllen in der Casinostraße in Niagara Falls,auch das Grellbunte,aber diese Gestaltung der Hallen mit den Leuchtreclamendächern,eben das Schrille rundherum,das ist eben Las Vegas,und ihr ward mittendrin.Richards Blick in den Ausschnitt der gewissen Dame galt sicher mehr der Kette als den”Bällen”.Er freut sich, scheint es,über alles,was er dort zu sehen bekommt.

  3. das ist doch nicht irgendein rotes Plüschmonster, das ELMO aus der Sesamstraße ;) es ist schön diesen Blog zu folgen, alles Gute noch für euch…

    • :-) ja, da hast Du Recht. Der Gute ist uns noch öfters begegnet, aber da war der Artikel nicht mehr im Gedächtnis.

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>