
Tarn-Richard
Donnerstag, 2. Mai:
Auch diese Nacht keine Bärchen Dafür mussten wir unser Frühstück gegen Raben verteidigen. Sie sind wirklich clever, und patroulieren in Gruppen den Platz nach Essensresten.
Eine Handbreit vom Essen entfernt bzw. Rücken zugedreht. Da ist also wirklich was dran. Als Revanche wollten wir dann natürlich das Ganze nochmal fotografieren. Aber wie schon erwähnt – die Viecher sind clever. Unsere Falle in Form von Richards Bananenresten ergatterte sich dafür ein unerschrockenes Squirrel.
Wenig später schweiften Richards Blicke auf der Suche nach potenziellen Zielen schon wieder über den Zeltplatz. Und da stand dann plötzlich das anderthalb Jahre alte Nachbarsmädel zwischen den Bäumen. Bewegingslos starrte sie in unsere Richtung. Das hatte ein bisschen was von “The Ring“. Richard hat sie auch erst wahrgenommen, als sie sich wieder bewegte. Dann gings auch gleich,ab in ihre Richtung. Während sich Madeleine mit ihrem Papa unterhielt wurde der lange Stock durch einen großen Stein ausgetauscht und auf Richard geworfen. Zum Glück flog er nur bis vor seine Füße. Richard war mässig beeindruckt, aber Madeleine wirkte verständlicherweise etwas fassungslos.
Bevor wir heute unseren Stellplatz verlassen, dürfen wir den neuen Nachbarn noch fachmännische Einparkhilfe geben. Eine Frau in den mitvierzigern versucht mit einem scheinbar neu erworbenem Wohnwagenanhänger einzuparken. Das ist auch für uns ein Abenteuer. Nachdem das in schweißtreibender Teamarbeit geschafft war, gab’s noch einen kurzen Plausch, und dann verließen wir den Campingplatz.
Unser nächster Halt ist das Visitorcenter. Nach zwei Tagen Aufenthalt wird’s auch mal Zeit. Von hier aus führen mehrere kurze und einfache Rundwege zu schönen Aussichtspunkten. Ein perfekter Abschluss. Bevor wir loslaufen, schauen wir uns aber noch den schön aufbereiteten und mit vielen Infos vollgepackten Showroom im Visitorcenter an. Dort kann man neben Tier- und Pflanzenwelt auch einen schönen Einblick in die Geschichte des Parks werfen. Fotografien und Postkarten machen es einem leicht, sich in die jeweilige Zeit zu versetzen. Draußen erwartet uns noch ein restauriertes Indianerdorf mit zugehörigem Minimuseum.
Die beiden Trails, die wir uns ausgesucht haben, sind wirklich kaum der Rede wert. Auf dem Cooks Meadows Loop bekommen wir eine schöne, viel fotografierte Aussicht auf Halfdome, Glacier Point und die Royal Arches geboten. Zwischendurch machen wir noch einen Abstecher zu den Lower Yosemite Falls. Die Aussicht ist zwar beeindruckend, kann uns aber da wir in den letzten Tagen schon so oft Wasserfälle gesehen haben nur noch mäßig beeindrucken. Viel interessanter sind auf diesen überlaufenen Wegen dagegen die Fototouristen, die mal mit übertriebener Technik, mal mit vollkommen uninteressanten (aber dafür einzigartigen) Motiven und Verrenkungen durchaus für Unterhsltung sorgen. Und ja ich weiß schon – wenn ich mich sehen könnte, würde ich vielleicht das ein oder andere Mal auch dazugehören.
Einen halben Darwin Award bekommt ein Touri, der sich für ein Foto aus einem minimal anderen Winkel geschossen auf einen einsamen Felsen inmitten des reißenden Stromes begibt, und dabei fast noch in die Fluten stürzt.
Kurz vorm Parkplatz wollen wir zur Abwechslung mal eine Mittagspause einlegen. Der Imbiss weckt Erinnerungen an Vorwendezeiten. Leider gibt es hier nicht mal n ordentliches Wurstbrötchen (ein Wunder bei den ganzen deutschen Touristen), sondern nur ungesundes süßes Zeug und ne lange Schlange. Dafür können wir in diesem “Delicatessen“-Laden Richards Brei in der Mikrowelle warm machen – perfekt! Eine Ecke weiter gibt es sogar noch was vernünftiges für die Erwachsenen (Burger und Pommes )
Dabei ist unter den Tischen eine flinke und abgebrühte Squirreltruppe unterwegs, die kein Stückchen Lebensmittel verkommen lässt. Man muss wirklich aufpassen, dass man nicht drauf tritt.
Frisch gestärkt verlassen wir den Nationalpark. Ein paar Meter weiter sehe ich einen Wolf – kann das sein? Dir gibts hier doch eigentlich nicht, und dann noch am Tage? Vielleicht war es doch ein Husky? Wer weiß…
Richard ist schon wenig später im Land der Träume. Eigentlich wollte wir heute noch eine Tour zu den Sequoiabäumen machen, aber es ist doch schon etwas später als wir dachten, und so begeben wir ins lieber direkt auf Stellplatzsuche. Wer weiß, wie schwierig das wird, wenn man unsere diesbezüglichen Erfahrungen innerhalb des Yosemite NP berücksichtigt.
Problemlos wäre die richtige Antwort
Erster Anlauf hat funktioniert, allerdings sehr teuer :/. Richard wurde aber gerade aus dem Schlaf gebremst, und macht jetzt berechtigt Terror. Wer möchte schon aus seinem Schönheitsschlaf gerissen werden. Das heißt dann wohl wir bleiben!
Der Platz ist riesig, genauso wie die Mücken. Aber es gibt Duschen, warmes Wasser und Strom. Ein Telefonnetz ist immer noch nicht vorhanden, aber es gibt wenigstens WLAN. Dieses allerdings nur im Gemeinschaftsraum (wie war das noch gleich mit Funkverbindung?)! Naa egal – gehen wir halt mal in den Gemeinschaftsraum.
Eigentlich ganz nett hier. Madeleine spielt Klavier, Richard krabbelt auf dem großen freien Boden herum und ich versuche die letzten Artikel hochzuladen. Langsam füllt sich der Raum. Erst kommt eine französische Familid mit einem kleinen Mädel. Richard ist hin und weg, und versucht sie die ganze Zeit anzukrabbeln. Zuerst flüchtet sie noch vor ihm, aber irgendwann siegt wohl sein Charme, und er darf zu ihren Füßen knien. Als er ihr dann aber an die Wäsche will, müssen wir die frisch verliebten doch mal trennen
Als nächstes kommt noch ein Paar, das mit ihrem Laptop-/Spielegedudel den ganzen Raum unterhält – man das nervt vielleicht. Mittlerweile ist scheinbar sowieso die Leitungskapazität überschritten. Bilder hochladen kann ich vergessen. Madeleine unf Richard sitzen derweil auf der Couch vorm Fernseher. Zeit wieder zum WoMo zu gehen.
Dort angekommen merke ich, dass die Kamera noch im Gemeinschaftsraum liegt. Kacke! Ich renne wieder zurück. Kurz vorm Ziel werde ich langsamer. Da ruft mir doch der alte Platzwart aus dem Büro zu: “lauf, lauf, lauf – es sind nur noch 5 Meilen!“ und lacht. Sehr witzig! Noch etwas aus der Puste kann ich nich mitlachen und winke ab. Zum Glück liegt die Kamera erwartungsgemäß unangetastet an ihrem Platz.
Wieder am WoMo werfe ich einen Blick zu unseren Nachbarn. Die sind irgendwie schräg drauf. Im Hintergrund wehen große Amerikaflaggen, und im Vordergrund (ausserhalb des Wohnwagens) steht ein riesiger Fernseher. Dort läuft gerade Saw und ein Kopf wird aufgeschnitten. Das Blut spritzt im Übertragenen bis zu unserem WoMo. Da bekommt man schon n bisschen Angst – so fangen Horrorfilme an. Vielleicht sollten wir unser Fähnchen auch rausholen um etwas Sympathie zu zeigen? Naja egal, ich geh erstmal duschen.
Es macht soviel Spaß, die Berichte zu lesen.Man kann sich so gut reinversetzen und evtl. kommen später noch einige Bilder dazu. Andrea ist wieder zu Hause.Für den Abfluß der Spüle,ist da die PSG zuständig oder ihr selbst?
Sehr schön geschrieben, da kommt keine Langeweile auf.
Danke!
bezieht sich die (keine) Langeweile eigentlich auf’s Lesen, auf’s Schreiben oder auf’s Erleben?